Der Künstler und das blaue Pferd
Illustration: Eric Carle
Aus dem amerikanischen Englisch von Herbert Günther
32 Seiten
ab 4 Jahren
€ 12,95

Der Altmeister von Bilderbüchern für die Jüngsten appelliert auch mit dem neuesten Buch daran, Kinder in ihrem kreativen Tun zu stärken und zu fördern. Sein blaues Pferd vom Einband steht stolz und selbstbewusst auf rotem Boden, blickt den Betrachter  mit einem Auge an und scheint zu warnen, ja nichts gegen seine blaue Farbe zu sagen.

Das Bild hat einen berühmten Vorgänger. Franz Marc malte „Blaues Pferd“ 1911 und provozierte mit leuchtenden Farben und vereinfachten Formen Kunstkritik und Publikum.  Das kurze Nachwort berichtet, wie Marc mit Gleichgesinnten die Künstlergemeinschaft „Der blaue Reiter“ gründete und die expressionistische Malerei entscheidend beeinflusste. Er fasste Farbe als eigenständiges künstlerisches Ausdrucksmittel auf. Carles Hommage hat biografische Wurzeln, über die das Nachwort ebenfalls informiert. Als der 12-jährige Eric im nationalsozialistischen Deutschland zur Schule ging, galt die Kunst der „Blauen Reiter“ als entartet. 130 Bilder von Franz Marc waren beschlagnahmt. Carles Kunstlehrer zeigte dem begabten jungen Schüler heimlich Reproduktionen der verbotenen Kunstwerke und schwärmte von deren Unbefangenheit und Großzügigkeit. Ebenfalls im Nachwort reflektiert der 84-jährige Carle: „Mein grüner Löwe, der bunt getupfte Esel und die anderen Tiere, die ich in ‚verkehrten‘ Farben gemalt habe, sind eigentlich an jenem Tag vor siebzig Jahren geboren.“ Und so gestaltet Carle sein eigenes jugendliches Ich als Künstler, dessen  Palette auf der ersten Doppelseite überquillt von Farben. Mit dem stolz und selbstbewusst klingenden Satz: Ich bin ein Künstler und male … beginnt der „Galopp“ über die Doppelseiten, von denen jede ein Tier groß in Szene setzt und in einem reich variierten Farbton vorstellt. Jedes steht auf einer Fläche, die Landschaft andeutet und deren Farbigkeit die Leuchtkraft der Figuren unterstützt. Einfache Worte und klares Schriftbild rahmen die Figuren: Links oben steht die Bezeichnung für Tier und Farbton, rechts unten macht ein „und  …“ neugierig auf die nächste Seite. Für die Formgestaltung nutzt Carle seine Collagetechnik. Seidenpapiere färbt er mit Acryl in einem Grundton ein und variiert diesen durch Farbmischungen. Alle Farbschichten bekommen Struktur, die Carle mit Pinsel, Schwamm oder Finger kratzt, wischt oder tupft. Die Papiere werden zerschnitten und so zur Tiergestalt gefügt, dass der Betrachter die Schnittkanten wahrnimmt. Im Bild vom bunt getupften Esel, das den Tierreigen beschließt, greift Carle auf seine Farbpalette vom Anfang zurück. Diese Lust an Farbe und Form überträgt sich auf den Betrachter und sollte kreativ genutzt werden, indem Kinder eigene Papiere á la Carle herstellen und zu einer großen (Tier-)Form zusammenfügen.

(Der Rote Elefant 30, 2012)