Post vom Erdmännchen
Illustration: Emily Gravett
Aus dem Englischen von Uwe-Michael Gutzschhahn
26 Seiten
ab 7 Jahren
€ 15,90

Erdmännchen sind momentan „in“. Erinnert sei an die Schlauberger aus Heidelbachs „Königin Gisela“. Auch die im vorliegenden Bilderbuch beheimatete Erdmännchengroßfamilie lebt nach dem Motto „Sicher leben heißt zusammen leben“. Doch Familienmitglied Sunny nervt die damit verbundene Enge im Bau. Er muss ins Freie, den perfekten Ort für sich entdecken. Verwandte gibt es reichlich, aber nirgends ist es das Rechte: Mal plagen Termiten, mal schmeckt das Futter nicht, mal ist es zu dunkel, mal zu nass … Nach einer Woche ist Sunny zurück. Am perfektesten aller Orte, zu Hause, empfängt ihn das Transparent „Herzlich Willkommen“.

Die wahrscheinlich 2001te Variation des „In-die-Welt-hinaus“- Motivs besitzt einen ganz eigenen Charme. Das aufwendig interaktiv gestaltete Buch erfüllt auf bemerkenswerte Weise viele Anforderungen an ein kindgemäßes Bilderbuch, sowohl entwicklungspsychologisch als auch ästhetisch. Es zielt auf Identifikation bzw. Distanz und macht differenzierte ästhetische Angebote auf Text- und Bildebene, die „mitwachsen“. Den knappen, linear erzählten Text können schon sehr kleine Kinder verfolgen und die gelb-grau-schwarzumrandeten malerischen Tuschezeichnungen laden mit vielen Details und zusätzlichen Bildgeschichten zum Benennen und Erzählen ein. Vieles erinnert an „Vorsicht, Wolf!“. Bereits dort stellte Gravett einen Naivling in den Mittelpunkt, einen Hasen, dessen neugierige Leselust alles um sich herum vergessen lässt und am Ende … Auch auf Sunny lauert (nur im Bild) von diesem unbemerkt das o.g. berüchtigte Tier … Dazu könnten Kinder könnten  anhand der Bilder eine Parallelgeschichte erzählen. Und wie in „Vorsicht Wolf!“ experimentiert Gravett in „Post vom Erdmännchen“ mit herausnehmbaren Elementen.

Leseanfängern macht es sicher Vergnügen, die umklappbaren Postkarten, die Sunny nach Hause schickt, zu entziffern. Diese kindgemäß formulierten Nachrichten, worin sich Sunny auch mal verschreibt, ergänzen die objektiv erzählte Stationenreise zusätzlich um eine Ich-Perspektive. Bildkünstlerisch fügen sich die Postkartenmotive – nur durch den Kartenrahmen abgegrenzt – meist in die darunter liegende Hauptillustration ein. Wiederum ein Anreiz zum genauen Hinsehen. Das Buch birgt so viele kreative Möglichkeiten des Umgangs in sich, das es für Eltern und Literaturvermittler ein Genuss sein müsste, Kindern dieses Buch nahe zu bringen.

(Der Rote Elefant 25, 2007)