Das rote Ding
Illustration: Heike Herold
32 Seiten
ab 4 Jahren
€ 15,00

Ein Mädchen spaziert durch einen Park, entlang an einem Fluss. „Nanu! Da schwimmt was, rot und klein. – Sieht aus wie‘n Ball! Nein, warte mal. – Könnt es nicht riesengroß auch sein? – Ich wünschte mir, es wär ein …”. Auch alle anderen Menschen, denen das Mädchen begegnet, haben Ideen, was da schwimmen könnte, wobei alles, was im Park passiert, darauf Einfluss nimmt. Aber wer hat recht? Bereits auf der 1. Buchdoppelseite ist ein Bettler neben einer Statue zu sehen. Darauf steht leitmotivisch für das Buch ein Spruch von du Bois-Reymond: „Ignoramus et ignorabimus”, was etwa bedeutet: „Wir wissen es nicht und wir werden es niemals wissen”. In Text und Bild „wissen” weder die Figuren noch die Leser- und Betrachter*innen, was „das rote Ding” wirklich ist. Zu erfahren ist nur, was die Figuren denken. In diesem Sinne bleibt das Rätsel bis zum Schluss bestehen. Das rote Ding löst sich auf und wird durch ein neues Rätsel ersetzt: Nun schwimmt im Fluss ein „gelbes Ding”…

In „Oben” und „Unten” geteilte Doppelseiten spiegeln die Park-Welt in Gestalt von schwarz-weißen Tuschezeichnungen; die Phantasie-Welt dagegen leuchtet vielfarbig, wobei blaue „Wasser”farbe dominiert. Korrespondenzen signalisieren Strukturen, die „oben” und „unten” zu entdecken sind, aber auch Farben und Formen. Rot leuchtet z. B. der Rock des Mädchens am Anfang der Geschichte, ist aber auch die „Hut”-Farbe eines zweiten Mädchens, womit „oben” angedeutet wird, was dieses Mädchen „unten” vermutet. Oder eine Unterwasserkrone verweist auf eine Löwenstatue im Park, Aufschrift „REX”, wobei die Löwentatze auf einem Ball ruht, der die Form des nächsten Objekts unter Wasser (Eiskugel) vorwegnimmt.

Rätselhaft wäre das Buch auch ohne Text. Die Vierzeiler jedoch, jeweils gebunden an die Figuren, bieten rezeptionsstrategisch eine sprachorientierte Rätsel-Ebene, da das letzte Reimwort fehlt. Das Bild „unten” zeigt, ob im Figurensinne richtig geraten wurde.

Naumann/Herolds phantasieanregendes Sprach- und Bilderrätselbuch eignet sich bestens für eine interaktive Arbeit mit Kindern, egal ob im Kindergarten, in der Schule oder Bibliothek. Bereits Vor- und Nachsatz bereiten auf genaues Sehen und Raten vor. Dort werden rote runde und gelbe dreieckige Dinge auf Linienpapier präsentiert, die zu Ideen einladen, wie es unter einer bestimmten Linie weitergehen könnte. Innerhalb des Buches könnten durch Abdeckung der Unterwasserebenen wunderbare Suchübungen „oben” zu Assoziationen für „unten” führen. Der jeweilige Vierzeiler gäbe Ratenden recht oder das Spiel begänne von vorn. So auch am Buchende, wo das „gelbe Ding” im Fluss neue Rätsel aufgibt …

(Der Rote Elefant 38, 2020)