Ort: ein Wohnzimmer. Stolz schreitet Herr Schnuffels, ein wunderschöner Kater, an hochwertigen Katzenspielgeräten vorbei, die ihm sein Mensch anbietet. Alle goutiert er offensichtlich mit Desinteresse, denn die Preisschilder sind noch dran. Fast hätte er das kleine Ufo übersehen, das sich in die Reihe geschmuggelt hat. Ob sich da was bewegt? … Mal sehen, was drin ist … Nahaufnahme: (Nur fast) neugierig blicken Katzenaugen durch den Ufo-Schlitz … Perspektivwechsel: Im Ufo befinden sich kleine grüne Männchen. Aufgeregt debattieren die Insassen (geometrische Zeichen in Sprechblasen), was zu tun ist: Die Controllbox ist beschädigt, das Ufo nicht mehr lenkbar. Die Männchen retten sich mit Hilfe von Marienkäfern und Ameisen in die hinterste Ecke unter der Heizung. Wo der Staubsauger nicht mehr hinkommt, sammeln sich allerhand nützliche Dinge an und die Wandmalereien unter dem Heizkörper entpuppen sich als bildhafte Sprachmittler zwischen Insekten und Aliens. So kann gemeinsam ein Schlachtplan entwickelt werden: 1. Reparatur der Controllbox mit Hilfe von Laserschwertern und Fundstücken; 2. Geschicktes Ablenken des Katers durch die Insekten; 3. Rückkehr der grünen Männchen ins Ufo und Abflug …
David Wiesner spielt gern mit bekannten Versatzstücken, sowohl inhaltlich als auch illustrativ. Entkommen in „Die drei Schweine“ dieselben dem Wolf (DJLP-Auswahlliste 2007), so variiert er in „Herr Schnuffels“ das bekannte Katz-und Maus-Spiel. Das Kräftemessen zwischen winzigem außer-irdischen Personal und dominantem Kater kann Tier- und Science-Fiction-Freunde gleichermaßen ansprechen und erlaubt einen ironischen Blick auf Erdendasein und Ufo-Landungs-Phantasien. Wiesner erzählt seine Geschichten vorrangig über die Bilder. Durch die Kombination von Bildsprachen aus verschiedenen Genres und Zeiten erzeugt er eine eigenwillige Spannung. Comicartige Zeichnungen lösen ganzseitige, fast fotorealistische Bilder ab, Elemente der Höhlenmalerei kombiniert er mit Inschriften in Sprechblasen, die an Hieroglyphen erinnern. Nichts erscheint zufällig. Ständige Perspektivwechsel sind für den Betrachter unerlässlich und schulen wie nebenher ästhetische Wahrnehmungen. Meisterhaft gestaltet Wiesner Größenverhältnisse, Starre und Bewegung oder reiht Szenen filmisch aneinander. Die präzisen aquarellierten Zeichnungen fordern zum genauen und wiederholten Hinsehen auf. Unterzieht sich der Betrachter dieser lustvollen Mühe, kann er auch irgendwann die Sprechblasen der Aliens und die Höhlenmalereien der Insekten entziffern. Sollte dies nicht gelingen, steht einer eigenen Bedeutungszuschreibung im Sinne der Botschaft des Buches nichts im Wege.
(Der Rote Elefant 32, 2014)