Cover: David Merveille; Hallo Monsieur Hulot

Schon das Buchcover verrät: Monsieur Hulot steht über den Dingen – in diesem Fall über den Dächern von Paris. Der etwas altmodisch gekleidete Herr unbestimmten Alters balanciert auf der Dachrinne eines Hauses und ist mit einem Stück Papier beschäftigt. Liest er einen Brief? Lässt er gleich einen Papierflieger starten? Das bleibt offen, es deutet sich aber bereits an, dass Hulot kein Normalbürger ist, was das Vorsatzpapier noch unterstreicht: Seine Silhouette schwebt hier mit anderen Wolken am Himmel.

David Merveilles Buch ist eine Hommage an den französischen Regisseur Jacques Tati und dessen 1953 erstmals auftretende Filmfigur Monsieur Hulot. Vorkenntnisse zu Tatis Werk sind nicht notwendig, der Kenner wird jedoch mit dem einen oder anderen Zitat erfreut. In dem fast textlosen Bilderbuch mit 22 neuen Hulot-Geschichten (Plakate, Geschäfte, Autos und Geräusche sind teilweise beschriftet) präsentiert Merveille eine tragikomische Figur, die nicht so recht in diese Welt passt, aber mit vermeintlich kindlichem Gemüt standhaft ihre Stellung gegen Tristesse und Tücken des Alltags behauptet. In diesem Sinne wird in einer der Geschichten aus Hulot ein heutiger Don Quixote, der anstatt gegen Windmühlen zu kämpfen auf einem Fahrrad und bewaffnet mit einer Angel einem Kraftwerk entgegen fährt.

Trotz nostalgischen Ambientes wirken die Geschichten inhaltlich und formal durchaus modern, wozu insbesondere die digitale Farbgebung beiträgt. Mit meist sechs an eine Filmsequenz erinnernden kleinen Bildern wird ein großes Hauptbild vorbereitet, welches die Handlung mit einer Pointe abschließt. Das meist emotionslos gestaltete Gesicht Hulots bietet eine perfekte Projektionsfläche für Jung und Alt und animiert dazu, jeder noch so alltäglich und/oder langweilig erscheinenden Lebenssituation mit Phantasie und Humor zu begegnen.

So löst ein versehentlich abbekommener Schneeball eine Schneeball(straßen)schlacht zwischen Erwachsenen aus, eine Zebrastreifenüberquerung  erscheint als schwindelerregendes Abenteuer und Hulot selbst verwandelt sich beim Betrachten eines Globus in Wahrzeichen verschiedener Städte und Länder … Merveilles charmante Geschichten  bestechen durch Einfachheit und Witz. Sie provozieren schon kleinste Bildbetrachter zum (Nach)Erzählen und bringen nicht nur Lebenskünstler, Tagträumer und Hulot-Fans zum Schmunzeln, die wie Tatis Held durch den Alltag balancieren.

(Der Rote Elefant 32, 2014)