„Six men“ schrieb und illustrierte McKee noch vor seinem zum Klassiker avancierten Bilderbuch „Du hast angefangen! Nein, du!“. Der deutschen Erstausgabe von 1972 folgt nun eine überarbeitete zweite Auflage. Diese erscheint angesichts sozialer Verwerfungen und kriegerischer Konflikte heute dringlicher und aktueller denn je. Die Geschichte ist als Gleichnis für die Entstehung von Kriegen zu verstehen: Sechs Männer suchen und finden einen Ort zu friedlichem Leben und Arbeiten, werden reich, fürchten ihren Reichtum zu verlieren, stellen deshalb Soldaten ein und kommen auf die Idee, einen weiteren Ort, an dem andere friedlich leben und arbeiten, zu erobern. So werden sie immer reicher und rekrutieren eine Armee, lehren damit andere das Fürchten, so dass diese im Gegenzug ebenfalls aufrüsten. Aus nichtigem, vorgefasstem Anlass greifen die Heere einander schließlich an. Die verlustreiche Schlacht überleben auf jeder Seite nur sechs Männer und machen sich – getrennt! – auf die Suche nach einem Ort, „wo sie in Frieden leben und arbeiten könnten“.
Auf den Kern von Besitzgier, Machthunger und Misstrauen reduziert und in wenigen schlichten Worten erzählt, lässt der Text schon jüngere Kinder nachvollziehen, was offenbar nicht versiegende Grundübel und Auslöser für Feindseligkeiten und Gewalt in der Menschheitsgeschichte sind. Diesem Verständnis arbeiten die Illustrationen nicht bloß zu, sondern „sprechen“ für sich. Die Schwarz-Weiß-Zeichnungen in ebenfalls reduziertem, grafischem Stil wirken archaisch und spielerisch zugleich:
Die gegnerischen, zeitlos anmutenden Figuren ähneln einander verblüffend; die Situationen erscheinen als einfache Gegenüberstellungen, die sich regelrecht doppeln; die Schlacht selbst erscheint als ein einziges Gewirr aus geometrisch angeordneten Strichen oder ineinander verknäulten Bögen. Ist das Ironie, Satire oder bereits Sarkasmus?
Vielleicht fragen sich schon Kinder am Ende, ob der aufgezeigte Kreislauf jemals durchbrochen werden kann. Eine hoffnungsvolle Antwort darauf zu finden, ist Aufgabe für erwachsene (Vor-)Leser – nicht zuletzt für Politiker! Eine Gelegenheit dazu böte der bundesweite Vorlesetag im November 2015, wo Politiker gerne medienwirksam in Kindergärten und Schulen einen Text präsentieren, um im Anschluss mit den Kindern ins Gespräch zu kommen.
(Der Rote Elefant 33, 2015)