Wer an Bord dieses Buches geht, wird beim Lesen zwischen sanftem Schaukeln in ruhiger See und strudelndem Schiffbruch in rauer See hin- und hergeworfen. Im Boot sitzt ein erfahrener (See)Bär, der seinen einzigen Gast, einen vertrauensseligen Jungen, an Bord begrüßt und die Leinen losmacht. Der Junge will auf die andere Seite und vertraut dem Bären, dessen Kapitänsmütze und dem umfangreichen Kartenmaterial. Irgendwann geht den beiden der Proviant aus. Irgendwann streiten sie über die Reiseroute. Irgendwann kämpfen Bär und Junge gegen ein Ungeheuer und überleben, finden ein Geisterschiff, verlieren ihr Ruderboot und stranden auf einem Felsen, bauen gemeinsam ein Segelfloß und als ein Windstoß das mit sich nimmt, sitzen sie wieder da … Die Reise wird zum nicht enden wollenden Abenteuer. Irgendwann scheint das Ziel nicht mehr wichtig, sondern die Beziehung zwischen beiden.
Für diesen humorvollen und hintergründigen Kinderroman bedient sich der englische Schriftsteller und Illustrator geschickt der Sprache aus Seefahrer- und Abenteuergeschichten und schafft ein Gleichnis für das Auf und Ab im Leben, für den Abschied von der Kindheit, für das komplizierte Verhältnis von Alt und Jung. Den lakonischen Ton des überschauenden Erzählers unterbricht und bereichert er durch verschiedene Illustrationen: Jedes der 27 Kapitel beginnt mit der gleichen Vignette, große wie kleine Bleistiftzeichnungen verdeutlichen Episoden, doppelseitige dunkel getonte Illustrationen künden von der Stimmung zwischen den Helden.
Auffällig ist der farbige Comic, den der Junge unter der Ruderbank findet und der ihm (und dem Leser) rätselhaft bleibt, weil er unvollständig ist und in unbekannter Sprache verfasst wurde. Diesen Comic kann man nutzen, um ihn mit Kindern „zu übersetzen“ und zu vervollständigen. Die Kapitelüberschriften bieten Gelegenheit, sich vor dem Lesen des Textes Gedanken über die Geschichte zu machen. Ergänzt man diese durch die doppelseitigen Illustrationen, verändert sich das bisher Vermutete.
Außerdem ist das Buch ein Vorlesebuch. Die Dialoge voll britischem Humor bereiten Vergnügen, sowohl für passionierte Vorleser als auch für Zuhörer. In den Ruder oder Lesepausen lässt sich reden über Zeit, Langeweile, Nichtstun, Horizonte oder über die blaue Seekarte mit Kaffeefleck und merkwürdigen schwarzen Markierungen, die den Bucheinband ziert.
(Der Rote Elefant 31, 2013)