Claude K. Dubois erzählt die Geschichte des sechsjährigen Akim. In seinem Dorf am Fluss Kuma (Kaukasus) herrscht Krieg. Vor dem Dröhnen der Granaten, den Schüssen aus Maschinengewehren rennt Akim weg. Er rennt um sein Leben, muss die Mutter wieder finden, stolpert, kann nicht mehr. Verzweifelt flüchtet Akim in eine Hausruine. Soldaten nehmen ihn und andere Kinder gefangen, zwingen sie zu schwerer Arbeit. Wehrlos gegenüber Gewalt und Bedrohung schleppen die Kleinen Brunnenwasser und bedienen die Soldaten. Im Chaos eines Angriffs flieht Akim erneut. Wieder rennt er stundenlang, versteckt sich hinter Büschen. Er trifft andere Flüchtlinge. Ein Boot bringt sie in Sicherheit. Im Flüchtlingslager bekommt Akim Wasser, Essen, ein Bett. Mit anderen Kindern spielen und toben kann der Junge nicht. Er spricht kaum. Groß ist seine Sehnsucht nach der Mutter und der Familie. Eines Tages erfährt Akim, dass man seine Mama gefunden hat.
„Akim rennt“ vermittelt ohne Pathos Momente von Angst, Traurigkeit und Einsamkeit. Der sparsame Text in schnörkellosen Hauptsätzen berichtet vom Kriegsgeschehen, wie es Akim beispielhaft für Kinder in mehr als vierzig Kriegs- und Krisengebieten dieser Erde widerfährt. Akim könnte auch Abdul, An-Hoang oder Aleksander heißen. Jeder Textseite folgen mehrere Bildsequenzen, die ohne Text auskommen. Die Bilder sind mit grauen und schwarzen Kohle- oder Kreidestrichen sowie zartbraunen Aquarelltönen gestaltet. Die reduzierte Text- und Bildsprache, das Format, die rand- und rahmenlose Seitengestaltung und die Strichführung erinnern an ein Skizzenbuch. Mit scheinbar flüchtigen Strichen variiert Dubois Mimik und Gestik ihres Protagonisten, lässt ihn „nicht aus den Augen“, konturiert Wichtiges stärker, rückt es in den Vordergrund. Mit dieser Ästhetik ermöglicht sie dem Betrachter Empathie und Verständnis, schafft Eindringlichkeit und verleiht den Bildern eigene Erzählkraft.
Das künstlerisch überzeugende Buch, ausgezeichnet mit dem katholischen Kinder- und Jugendbuchpreis und dem DJLP 2014, ist ein Muss für Gespräche mit Kindern über Flüchtlinge, über Krieg, über den Zustand dieser Welt, in der immer mehr Menschen ihre Heimat verlassen müssen. Als Einstieg könnten Bildausschnitte dienen, die den „rennenden“ Akim zeigen. Sie verdeutlichen, dass es sich nicht um einen sportlichen oder spielerischen Wettlauf handeln kann. Zu ergründen, woran das liegt, führt in Inhalt und ästhetische Mittel dieses Buches ein.
(Der Rote Elefant 32, 2014)