Ein Bus braust durch die Dunkelheit. Es ist Vollmond. Die Scheinwerfer erhellen die dunkle Straße, in den Fenstern sind schemenhaft Fahrgäste zu erkennen. An einer Haltestelle steigt ein lächelnder Mann mit violettem Zylinder auf dem Kopf zu. Als einziger zeigt er eine heitere Miene, alle anderen Fahrgäste im fast voll besetzten Bus haben abweisende, unfreundliche Gesichter, sogar das Fahrzeug blickt mürrisch. Der nette Gruß des Neuen wird nicht beantwortet. Doch so schnell lässt er sich die gute Laune nicht vermiesen und beginnt ein Gespräch mit seinem Nachbarn, dessen Mütze ein vielversprechendes „Yeah“ ziert. Als dieser endlich antwortet und beide anfangen, angeregt zu plaudern, bessert sich nach und nach die Stimmung im ganzen Bus. Einige Mitfahrer schauen neugierig herüber, schon freundlicher blickend, und schließlich fangen auch die anderen Passagiere an, miteinander zu reden. Inzwischen dämmert es, die Nacht weicht dem Morgen. Dann steht die Sonne hell am Himmel. Der Zylinder-Mann ist längst ausgestiegen, aber der inzwischen prächtigen Stimmung im nun auch lächelnden Bus tut das keinen Abbruch – die Fahrgäste sind miteinander ins Gespräch gekommen.
Die Bilderbuchkünstlerin Christina Röckl, die 2015 mit Und dann platzt der Kopf den Deutschen Jugendliteraturpreis gewann, hat erneut einen ebenso unkonventionellen wie humorvollen Ansatz für ein wichtiges Thema – den Umgang miteinander (nicht nur) im öffentlichen Raum – gefunden. In ihren farbintensiven Bildern, die sie in einer Mischtechnik unter anderem mit Acryl-, Öl- und Druckfarbe auf selbstpräpariertem, leuchtend gelbem Papier gestaltet, wechseln Außendarstellungen des fahrenden Busses mit Frontalansichten der unterschiedlichen und recht skurrilen Fahrgäste mit Turmfrisur, spitzen Ohren oder Antennen auf dem Kopf.
Beim Vor- und Zurückblättern sind Veränderungen zu entdecken: Wer ist ausgestiegen, wer hat sich umgesetzt – und was hat es mit der Katze am Straßenrand auf sich? Die wesentlichen Informationen werden in Bus allein durch die Bilder vermittelt, der Text beschränkt sich auf Interjektionen wie „Ahhh!!!“, „Hiiiii“ oder „Hmmjaaa…“ in comicartigen Sprechblasen.
Mit seiner gelassenen Heiterkeit und den originellen, leicht zugänglichen Illustrationen ist das humorvolle Buchkunstwerk auch für jüngere Kinder zum (gemeinsamen) Nachdenken über Offenheit, gegenseitige Akzeptanz und den eigenen Beitrag zu einem freundlichen, toleranten Miteinander geeignet. Und vielleicht tun die größeren Leserinnen und Leser es Christina Röckl und ihrem Partner gleich, wenn sie an langweiligen Regentagen miteinander wetten, wer die meisten Menschen auf der Straße zum Lächeln bringen kann.
