Die Palmström-Gedichte entstanden 1910. Ihre Helden sind der einfältig-gutmütige Idealist Palmström und sein Gegenspieler von Korf. Mit seinen skurril-grotesken Gedichten wollte Morgenstern nicht nur der Spaßmacher und Schmunzel-Poet sein, sondern „das Fremdwerden der Sprache nicht passiv erleiden.“ Morgensterns unkonventionelles Verhältnis zu sprachlicher und gesellschaftlicher Ordnung mag Peter Schössow gereizt haben. Mit 24 farbigen Doppelseiten (einschl. Einband) zelebriert der Künstler Seite für Seite den Nonsens und entwickelt Morgensterns Anspruch weiter, indem er die Reimstruktur der 14 Zeilen auflöst, neu komponiert und als Geschichte in zwei Teilen erzählt. Wie Schössow sich dadurch Raum für eigene Gewichtung und für Anspielungen schafft, wird gleich auf der ersten Doppelseite deutlich, wenn die Maus auf dem Wort „dahingegen“ in der zu Palmström und v. Korf entgegengesetzten Richtung aus der Seite läuft, das mitgebrachte Geschenk triumphierend davontragend. Morgensterns Helden staunen ihr leicht bedeppert hinterher. Wieder herrschen bei Schössow  grüne Farbtöne vor und wieder geben schwarze Linien Räumen und Figuren deutliche Gestalt. Die Gegensätzlichkeit der Freunde betont Schössow  durch Figürlichkeit: groß und behäbig Palmström, klein und wendig v. Korf.

Wenn Schössow der Gitterkammer den Namen Pigalle gibt, reizt er zum Lachen und eigentlich kann Palmström nur das Lied von der großen Mausefalle mitten in Paris intonieren. Dabei ist Stadt weit und breit nicht in Sicht, denn das Geschehen ist in die dörfliche Landschaft gesetzt. Als die Maus endlich erfolgreich in der Kammer sitzt und andächtig lauscht, scheint sich v. Korf bei den Künstlern Jeanne-Claude und  Christo Anregungen für die Verhüllung des motorisierten Möbelwagens geholt zu haben. Schössow modernisiert Morgenstern respektvoll, wenn er das Ross zum Fahrer macht und spielt gleichzeitig auf Pferdestärken an. Dann kommt der Höhepunkt: der Freudentanz der freigelassenen Maus auf einer Waldlichtung. In vier Bild-Sequenzen löst Schössow Morgensterns sprachliche Reimstruktur auf, stellt sie auf den Kopf, so wie die Maus selbst. Auch Schössow will wohl nicht nur Spaßmacher und Schmunzel-Bilder-Poet sein will, sondern interpretiert mit eigener Ästhetik den Klassiker Morgenstern neu. Ein grandioses Bilderbuch zum Vorlesen und Ansehen.

(Der Rote Elefant 24, 2006)