BRD, 1975: „,Du gehst in ein Gymnasium?‘ … und sieht auf meine Röntgenbilder. ,Das ist kein deutscher Name, nicht?‘ ,Ja‘… ,Soso. Und du willst auf‘s Gymnasium gehen? ,Ja‘. ,Du gehst nicht auf die Hauptschule?‘ ,Nein.‘ … ,Wenn jetzt deine Mutter hereinkommt, werde ich sie fragen. Dann wird sich alles aufklären. Willst du das? Willst du das wirklich?‘“ Der Vater des 11-jährigen Magdi ist Araber, die Mutter Deutsche, Rassismus für Magdi und die drei Geschwister eine alltägliche Erfahrung, wobei die angepassten Eltern Erwartungen und Vorurteilen Vorschub leisten. Ihr Credo: Aufgrund ihrer Namen müssten alle besser sein als der Durchschnitt. Dazu reflektiert Magdi im „Berichte-Heft“: „Das ist total witzig, weil Mohammed Ali (Magdis Idol!) ist Amerikaner und hatte einen amerikanischen Namen. Er wollte aber lieber einen Namen haben, wie ich ihn hab … Aber so einen Namen … kann man sich nur leisten, wenn man auch so stark ist wie Ali oder wenn man dort wohnt, wo alle so heißen. Also dort, wo unsere Großeltern leben, die, die wir nicht kennen, weil sie so weit weg wohnen und wir kein Geld haben, um sie da zu besuchen.“
Das „Heft“ ist Magdis Rettung. Schreibend, kann er seine (Um)Welt besser ertragen. Mit scharfem Verstand und ohne jede Schonung entlarvt er darin u. a. den prügelnden Vater, die alles vertuschende Mutter, rassistische Lehrer und Ärzte.
Christian Duda, eigentlich Christian Achmed Gad Elkarim, Österreicher und später zwangsarabisiert, trifft die Denk- und Sprechweise seines rebellischen Helden genau. Dessen Lebenswirklichkeit verpflichtet, verbietet sich ein versöhnliches Ende: Eine Versöhnung mit den Eltern findet nicht statt. Frieses Illustrationen, besser „das Gekritzel“ an den Texträndern, stützen den Eindruck, direkt in Magdis „Berichte-Heft“ zu blättern. Auf der Suche nach der richtigen Formulierung bearbeitet er die Seiten offenbar so lange, dass sich Tintenkleckse breitmachen … Obwohl „Gar nichts von allem“ in den 1970er Jahren spielt, ist die beschriebene, ungeschönte Realität aktueller denn je. Sie spiegelt die Zerrissenheit der „zweiten Generation“, welche in Deutschland geboren wurde und trotzdem nicht als „Deutsche“ anerkannt ist, sondern aufgrund des kulturellen Elternhintergrunds permanent um ihre Gleichbehandlung kämpfen muss. Ein wichtiges Buch, vor allem für jene, die solche Erfahrungen nicht machen mussten.
(Der Rote Elefant 35, 2017)