Jeden Morgen dasselbe: zwölf Paar zertanzter Schuhe! Der König sperrt seine Töchter des Nachts ein – doch immer wieder entwischen sie zum Tanz. So wirbt er schließlich um Freiwillige, die das nächtliche Treiben aufklären sollen. Drei Nächte haben sie Zeit. Gelingt es ihnen, bekommen sie die Hand einer der zwölf Prinzessinnen. Gelingt es ihnen nicht, verlieren sie ihr Leben. Viele Bewerber scheitern. Dann kommt ein ausgedienter Soldat, um sein Glück zu wagen. Doch die zwölf Prinzessinnen haben Mittel und Wege, um ihre nächtlichen Abenteuer zu verbergen …
Der Märchentext, 1815 erstmals von Jacob und Wilhelm Grimm in ihren Kinder- und Hausmärchen veröffentlicht, wird im Bilderbuch von Patricia Thoma im Original nach aktueller Rechtschreibung abgedruckt. Das eher selten illustrierte Märchen wird von der Berliner Illustratorin, bildenden Künstlerin und Autorin im doppelseitigen Format aufbereitet. Auf dem Vorsatzpapier findet sich eine Fülle von Formen der titelgebenden Schuhe. Die Figuren im flächigen Scherenschnitt erinnern optisch an die Zeit der Brüder Grimm wie an die Typisierungen im Märchen: Zwölf identisch aussehende Prinzessinnen steigen in einer Prozession die Treppen zum geheimen Ort ihres Vergnügens hinunter oder fahren, als schwarze Silhouetten in goldenen Muschelbooten sitzend, mit ihren heimlichen Verehrern über den königsblauen unterirdischen See zum Tanz.
Der gestalterische Hintergrund für die nächtlichen Abenteuer ist in mehreren Farbschichten angelegt und erinnert an Holzfurnier oder edle Tapeten. Ausgewählte prunkvolle Gegenstände schmücken wie einzelne Requisiten einen zweidimensional wirkenden Bühnenraum. Ähnlich barocken Möbeln sind sie in üppigen Farben koloriert. Patricia Thomas Illustrationen erinnern nicht zufällig an das Schattentheater; sie setzt die Figuren, wie man im Nachwort erfährt, tatsächlich auch in ihren Buchvorstellungen ein.
Die zertanzten Schuhe erzählen symbolisch vom Ablösungsprozess der Töchter vom Vater, von dessen elterlichem Kontrollwunsch und der zunehmenden Eigenständigkeit der Prinzessinnen. Nach dem Vorlesen und Zeigen der ersten Seiten könnten die Kinder in Gruppen eigene Szenenbilder, inklusive Hintergründe, Interieur und Scherenschnitt-Figuren, gestalten.
