Großer und kleiner Igel kommen auf dem abendlichen Heimweg nicht voran. „‚Warte doch mal, großer Igel!‘ ‚Und worauf warten wir jetzt?‘ Der große Igel lächelte.“ Der kleine, neugierige Igel will sich partout nicht vom Tag verabschieden und der große geduldige, jedoch müde Igel schnell nach Hause. Aber da sind Tiere, denen unbedingt noch gute Nacht gesagt werden muss und es dauert, bis die Sterne langsam am Himmel erscheinen. Am Ende trägt der große den kleinen Igel.
Britta Teckentrups Bilderbuch führt eine bekannte Situation vor, bei der die Geduld vieler Erwachsener auf die Probe gestellt wird, haben doch nicht nur kleine und große Igel ein unterschiedliches Tempo. Dabei steht die in Berlin lebende Künstlerin klar auf Seiten der „Kleinen“. Geduld lernen, durch Kinderaugen die Umwelt (wieder-)entdecken, sich auf den Moment einlassen oder – ganz modern – Achtsamkeit üben, dafür wirbt sie bei den „Großen“, denn: „Der Weg ist das Ziel!“ Der Bedeutung jedes Moments angepasst, folgt die Text-Bild-Aufteilung einem bestimmten Rhythmus. Mal ist eine ganze Doppelseite einer Blumenwiese oder dem Sonnenuntergang gewidmet, mal eine Seite nur dem Text, wobei das gegenüberliegende Bild diesen ergänzt. Aber die atmosphärisch ausdrucksstarken, gedeckt farbigen Illustrationen „schauen“ auch immer wieder über den Bildrand hinaus oder Teile davon ragen in den Text. So entsteht ein abwechslungsreicher, lebendiger Gesamteindruck, der die Aufmerksamkeit immer wieder neu bindet. Bestimmen die ersten Seiten rot-orange Töne, gehen diese mit fortschreitender Dämmerung in ein Grau-Blau über, aus dem Mond und Sterne mit erstaunlicher Kraft hervorleuchten.
Ihre emotionale Wirkung entfalten Teckentrups Bilder aufgrund von Kombination und digitaler Bearbeitung des ausgewählten Materials. Mittels verschiedener Papiere und deren Strukturen bzw. dem Wechsel von Flächen und zarten Einzelteilen entsteht ein interessantes Spannungsverhältnis zwischen ästhetischer Verfremdung und Naturnähe. Wie könnten sonst die Grashalme wie gerade aus der Wiese gerupft erscheinen? Da die Bilder viel „erzählen“, konzentriert sich der überschauend formulierte Text vorrangig auf die Dialoge der Figuren. Besonders das ständige „Warte doch mal“ macht nicht nur Spaß aufgrund der Wiederholung, sondern weckt auch Neugier auf Kommendes, nicht nur bei zuhörenden „Kleinen“, sondern auch vorlesenden „Großen“. Besonders für sensible Kinder ist „Warte doch mal“ eine wunderbare Gute-Nacht-Geschichte. Aber auch zu Ausflügen kann sie gedanklich oder direkt mitgenommen werden. Gemeinsam gilt es dann zu schauen, wofür es sich lohnt zu sagen „Warte doch mal“.
(Der Rote Elefant 40, 2022)