Die Erfindung des Hugo Cabret
Aus dem amerikanischen Englisch von Uwe-Michael Gutzschhahn
544 Seiten
ab 12 Jahren
€ 19,95

Die Kamera zoomt aus dem Weltall auf die Erde zu, Paris, eine Bahnhofshalle, das Gesicht eines Jungen, der vorsichtig zurückblickt, Gänge, Flucht, ein Auge … Schwarz-Weiß-Zeichnungen simulieren eine Kamerafahrt, die einem geheimnisvollen Geschehen folgt, Bilder ohne Worte. Dann folgt eine Geschichte voller Spannung, voller Rätsel und seltsamer Zufälle. Sie spielt 1931, zunächst hauptsächlich in einem großen Pariser Bahnhof, vielleicht Gare du Nord, in dem der 12-jährige Hugo sich versteckt hält. Täglich kontrolliert er alle Bahnhofsuhren. Das muss er tun, damit nicht auffällt, dass sein Onkel, der eigentlich diese Aufgabe zu erfüllen hat, verunglückt ist. Sein Vater ist ebenfalls tot, beim Brand eines Museums umgekommen. Doch Hugo konnte aus den Trümmern des Museums den „mechanischen Mann“ retten, an dem sein Vater gearbeitet hatte. Dazu braucht er Ersatzteile, die er bei einem Spielzeughändler im Bahnhof entwendet. Andere merkwürdige Personen tauchen auf, zwischen denen irgendeine Verbindung zu bestehen scheint. Als der mechanische Mann schließlich repariert ist und sich bewegen kann, zeichnet er ein Bild aus einem alten Stummfilm, eine Rakete, die auf dem Mond einschlägt. Nun lösen sich alle Rätsel auf.

Der Spielzeughändler ist der Filmpionier George Mélies und es geht um seine Hinterlassenschaft an Zeichnungen und Filmen. Das Besondere an dem Buch ist, dass die vielen detailgenauen Bleistiftzeichnungen keine Illustrationen des Erzählten sind, sondern ganze Passagen, vor allem Verfolgungsjagden und geheimnisvolle Begegnungen, eigenständig vorantreiben. Sehr filmisch, mit Nahaufnahmen und Totalen, harten Schnitten, Schwarz-Weiß-Kontrasten. So belegt das Buch nicht nur durch seine Geschichte die Faszination des Autors von der Zauberkraft der ersten laufenden Bilder, sondern es lässt sie visuell nacherleben. Auf wen der Funken überspringt, der kann sich anhand der internet-Adressen intensiver mit Mélies und anderen Stummfilmregisseuren beschäftigen.

Zum Einstieg in die Geschichte und die Art der Erzählweise bräuchten nur einige Bilder vorgelegt zu werden, die ein Stück der Rahmenhandlung andeuten; als Krönung sollte aber zum Abschluss der eine oder andere Film von Buster Keaton, Harald Lloyd oder Charlie Chaplin ganz gezeigt werden.

(Der Rote Elefant 26, 2008)