Jahreszeiten
Text: Blexbolex
Illustration: Blexbolex
177 Seiten
ab 4 Jahren
€ 18,95

Bernard Granger alias Blexbolex erhielt 2010 für „Jahreszeiten“ den Illustrationspreis des Frankfurter Gemeinschaftswerkes der Evangelischen Publizistik (GEP). Das Besondere dieses französischen Künstlers ist schwer zu fassen. Angefangen bei dessen merkwürdigem Pseudonym über den fast beliebigen Titel bis zur Logik der Bilder und ihrer Formensprache. Letztere erinnert an Plakatkunst der 20er und Werbegrafik der 50er Jahre. Auch das holzhaltige Papier mutet nostalgisch an. Der Titel legt einen roten Faden nahe: von der Knospe (Frühling) über Sommer, Winter, Sommer, Winter bis zum Keim (Frühling). Häufig hängen zwei aufeinander folgende Bilder enger zusammen (welkes Blatt – Mantel, Duft – Allergie usw.) Bei schnellem Durchblättern entsteht der Eindruck, es handle sich um eine Art orbis pictus: Wörter entsprechen Bildern, Bilder erklären Wörter. Von diesem Prinzip weichen jedoch viele Seiten ab. Die Seite „Ein Spross“ zeigt einen Jungen, kniend vor einem Blumentopf. Hier gewinnt der Signifikant „Spross“ symbolische Bedeutung für Neues, Werdendes. Gleichzeitig wird eine Beziehung zum Spross-Betrachter hergestellt, der das Wachsen staunend beobachtet. Also eine Art Erzählbild. Die Doppelseite „Rausch“ dagegen zeigt den blütenbesetzten Ast eines (Kirsch)Baumes, in dem zahllose Insekten schwirren. „Schwirren“ gewinnt hier eine optisch-akustische Doppelbedeutung, der Betrachter hört geradezu das Abgebildete. Und die Tiere sind „wie im Rausch“. „Ein Warnruf“, zweifarbig rot und braun, erschließt sich erst bei näherem Hinsehen: da sind kleine Vögel im roten Laubwerk zu entdecken. Aber „Ein Warnruf“ macht nur Sinn, wenn für die Vögel irgendeine Bedrohung existiert, die nicht zu sehen ist … So gibt es Seiten, die ein Ding, eine Situation, ein Geschehen oder ein Gefühl ausdrücken und Seiten, die Rätsel bleiben, weitergedacht werden müssen. Anderen Seiten merkt man die Lust am grafischen Experimentieren an: „Ein T-Shirt“, „Duft“, „Eine Ameisenstraße“ u.a. Die farbige Belegung der Seiten ist statisch, selbst wenn es um Bewegung geht. Viele Bilder wirken wie Momentaufnahmen, das „Einfrieren“ des Bildes in einem bestimmten Zustand. Dieses formale Vorgehen, verbunden mit den bedeutungstragenden Überschriften, erfordert manchmal ein meditatives Herangehen, ähnlich dem Umgang mit Haikus: Betrachten – In-sich-hereinnehmen – ohne abschließende Definition. Das Lesen/Betrachten des Buches bzw. einzelner Seiten ist zeitaufwendig, aber es lohnt! Aus den Bildern bzw. der Spannung zwischen Begriff und Bild entstehen intensive und intelligente Zugänge zu „Welt“. Die z. T. stark reduzierten plakativen Formen könnten im Kunstunterricht in verschiedenen Drucktechniken nachvollzogen und erprobt werden.

Ein wirksamer Beitrag zur ästhetischen Bildung.

(Der Rote Elefant 28, 2010)