Dann gehe ich jetzt, sagte die Zeit
Illustration: Julie Völk
40 Seiten
ab 5 Jahren
€ 15,00

Sonntagnachmittag und „die Zeit ist da“. Während Lara sie begrüßt, suchen Opa, Eltern und Geschwister sie (sich) zu vertreiben oder gar totzuschlagen. Die Zeit läuft davon und Lara macht sich auf die Suche. Menschen, die sie in der Stadt befragt, entgegnen ihr: „Keine Zeit“ oder „Zeit ist Geld“. Selbst im Park, wo Lara die Zeit wiederfindet, sind Leute unterwegs, die sich keine „Zeit nehmen“. Also weiter! Die Zeit schlägt Lara einen Wettlauf vor – und gewinnt. Müde geworden, lässt Lara sich von ihr tragen. Als beide am Fluss sitzen, nur noch schauen und nichts mehr reden, ist „die Zeit einfach (wieder) da“.

Die kleine, poetisch-pointiert erzählte Geschichte über unterschiedliche Wahrnehmungen und Umgangsweisen mit Zeit plädiert für Entschleunigung modernen Lebenswandels und erholsame Erfüllung in natürlicher Umgebung. Literarisch setzt sie auf ebenso bewährte wie reizvolle Verfahren: eine Personifizierung des abstrakten Phänomens und das Wörtlichnehmen von Redewendungen. Damit lädt sie auf spielerische Weise schon jüngere Kinder, am besten zusammen mit Erwachsenen, zu einem ersten philosophischen Diskurs ein: Haben Kinder mehr Zeit als Erwachsene? Vertrödeln Kinder Zeit, während Erwachsene sie nutzen? Was ist überhaupt Zeit?

Die den Text einbindenden Illustrationen setzen Figuren und Interieurs sinnlich fassbar um; am eindrucksvollsten die offenbar nur für die Protagonistin und Betrachter*innen sichtbare Zeit-Figur aus durchscheinendem, überlang wallenden Haarkleid, mit rot beschuhten Füßen und einem alterslosen, menschlich-freundlichen Gesicht. Stilisiert dargestellt, räumlich und flächig zugleich wirkend, verfügen Wohnbereiche, städtische Gegenden und Flusslandschaft über durchweg großzügige, wechselvolle Formate. Auf den Bildern in ebenso abwechslungsreichen Farbtönen – von ganz zart bis prononciert leuchtend – lassen sich sowohl textimmanente als auch zusätzliche Details ausmachen (fallende Blütenblätter, grünende Bäume, ziehende Wolken, fließendes Wasser), die das Vergehen von Zeit spiegeln.

Über Diskurs und Bildentdeckungen hinaus bietet das Buch vielerlei Anregungen: Laras Freundschaft mit der Zeit weitererzählen; weitere Redewendungen zum Thema Zeit sammeln (z. B. im Zusammenhang mit „Zeit“ und „Fluss“), interpretieren und bebildern; Figuren zu anderen Abstrakta (Glück, Pech, Angst, Mut etc.) entwerfen und Geschichten um sie erfinden. Nicht zuletzt kann es mit einem ganzen KJL-Reservoir an „Zeit“-Büchern verknüpft werden.

(Der Rote Elefant 38, 2020)