Cover: Barbara Warning, Heimisch und doch fremd

„Fremdheit“ und „Umgang mit dem oder den Fremden“ hat Konjunktur. Leider wird jedoch meistens von außen kommend „darüber“ geredet. Viele, die glauben eine Meinung äußern zu müssen, scheinen wenig darüber zu wissen, wie es „drinnen“ aussieht, also was die „Fremden“ tatsächlich erlebt haben und wie sie sich fühlen. Dem will die Hamburger Journalistin mit Interviews und Beschreibungen von Lebensläufen etwas entgegensetzen. Die Menschen, die sie porträtiert und mit aktuellen Farbfotos vorstellt, kommen aus Syrien, Eritrea, Vietnam, Bosnien, Russland, Afghanistan, Polen, Libanon, Kirgisistan, um nur einige Herkunftsländer zu nennen. Dabei spielen konkrete Ereignisse eine Rolle (Jugoslawienkrieg, Einwanderung von Russlanddeutschen, Anwerbung von Gastarbeitern usw.), aber vor allem individuelle Erfahrungen, die gerade durch die subjektive Darstellung glaubwürdig und bedeutsam werden. So sagt ein Jugendlicher aus dem Kongo: „Ich bemühe mich, viel von der deutschen Kultur zu übernehmen. Das sind manchmal ganz alltägliche Dinge, zum Beispiel der Händedruck. In Afrika berührt man die Hand des anderen nur ganz leicht, fast flüchtig. In Deutschland wird erwartet, dass man kräftig drückt. Das musste ich am Anfang richtig üben.“ So geht Kennenlernen, nur so.

Zu Wort kommen auch Nicht-Migranten: Lehrer, Sozialarbeiter, Fußballtrainer, ehrenamtliche Helfer und ein sunnitischer Imam. Allen gemeinsam ist, dass sie Probleme nicht verschweigen, aber grundsätzlich mit Energie und positiver Grundhaltung an die oft selbst gestellten Aufgaben herangehen. Dass es solche Personen gibt, ist unbestritten, was an dem Buch jedoch beeindruckt, ist die Vielfalt und die Menge der Zeugnisse. Ein ganzes Kapitel gilt den Berliner „Heroes“, die sich bereits 2007 gegründet haben. In diesem Projekt wendet sich ein Team von Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Rahmen von Workshops an andere Jugendliche, um sich mit ihnen hauptsächlich über Rassismus an Schulen und das Verhältnis von Jungen und Mädchen auseinanderzusetzen. Dabei gilt die Haltung: Tabus dürfen nicht verdrängt, sondern müssen angesprochen werden. Abschließend wird die Frage gestellt „Wer bin ich?“. Die Antwort darauf kann unmöglich eindeutig ausfallen, zumindest was die nationale Identität angeht. Aber möglich ist, Vielfalt zu leben, individuell und gesellschaftlich. Das will das Buch sagen. Eine gekonnt gemachte und notwendige Ergänzung zu eher allgemein und theoretisch konzipierten Darstellungen.

(Der Rote Elefant 35, 2017)