Anna Woltz: Gips
Gips oder wie ich an einem einzigen Tag die Welt reparierte
Aus dem Niederländischen von Andrea Kluitmann
176 Seiten
ab 10 Jahren
€ 10,90

„MAMA SOLL STERBEN“ hat sich die zwölfjährige Fitz mit „Geht-nie-wieder-ab-Permanentmarker“ auf Stirn und Wangen geschrieben. Das erste Wochenende in der neuen Wohnung des Vaters steht bevor und Fitz ist hochwütend. Darüber, dass ihre Eltern sich getrennt haben, ihre Mutter sich plötzlich selbst finden muss und ihr Vater sich – wie immer schweigend – fügt. Ausgerechnet zu Weihnachten fand das „Schirmgespräch“ statt, empfohlen aus dem Ratgeber „Glücklich verheiratet, glücklich getrennt“. Seitdem ist Fitz‘ Welt aus der Bahn geraten und ein Leben mit „Hin- und Her-Taschen“ steht bevor. Als ihrer kleinen Schwester Bente bei einem Unfall die Fingerkuppe abgetrennt wird, finden sich die Mitglieder der ehemaligen Familie im Krankenhaus wieder. Während alle auf die Versorgung Bentes warten, zieht sich Fitz zurück und erkundet das Krankenhaus. Dabei begegnet sie Adam, der seinen viel zu früh geborenen Bruder nicht besuchen will und schon fünfzehn ist. Und Primula, dem Mädchen, das noch keinen Busen hat, dafür aber eine riesige Narbe. Mit einem zu kleinen Herzen geboren, kennt sie sich aus mit schwierigen medizinischen Begriffen – und mit Krankenhausserien, inklusive der dort vor sich gehenden Liebesdinge …

Anna Woltz wählt mit dem Krankenhaus einen Handlungsort, der gleichsam für Verletzung und Heilung steht. Ihre Protagonisten haben innere und äußere Verwundungen zu verkraften. Wie sie das tun, lässt Anna Woltz ihre Ich-Erzählerin Fitz so unmittelbar (im Präsens), herzerfrischend und humorvoll erzählen, dass es eine Freude ist! Fitz ist hin- und hergerissen im Ringen um die Akzeptanz der Veränderung, bei der Suche nach (neuem) Halt. Dabei agiert sie herrlich aufmüpfig, widerborstig, impulsiv – so, wenn sie sich den Arm eingipsen lässt und die Eheringe der Eltern gleich dazu. Fitz ist außer sich und doch ganz bei sich. Dass sie ungerecht ist oder Dinge fehlinterpretiert, z. B. das Verhalten des Vaters im Krankenhaus, wird dem Lesenden erst rückblickend klar. Lebensnahe Figurengestaltung, Situationskomik und das Spiel mit (Krankenhaus-)Klischees zeichnen dieses bittersüße Kinderbuch aus. Am Ende erkennt Fitz, ein bisschen erwachsener geworden, dass Veränderungen schmerzhaft sein, aber auch Neues ermöglichen können.

(Der Rote Elefant 35, 2017)