„Wir üben besuchen!“ Mit diesem Vorschlag möchte das stets fröhliche Tingeli dem stets schlecht gelaunten, pessimistischen Nachbarn Bärbeiß beibringen, wie man besser zusammenlebt und Freunde findet. Denn: „Was gibt es Besseres als Freunde?“ Beide leben in einem kleinen Dorf zusammen mit einem Königspinguin, einer Graureiher- und einer Hasenfamilie. Nach und nach gelingt es Tingeli mit Phantasie und Beharrlichkeit die positiven Seiten des Bärbeiß zu Tage zu fördern, was auch der Gemeinschaft nützt. So führt eine Expedition aller Dorfbewohner von Timbuktu aus in die Umgebung – zwar nur bis zu einem kleinen Teich, aber das gemeinsame Erlebnis schweißt zusammen und erweitert den Horizont. In die relativ leere Landkarte kann Tingeli einen Ort namens „Woanders“ eintragen …
„Timbuktu“ meint nicht den realen Ort, sondern ist ein abstraktes Nirgendwo. Ort und phantastisches Figurenensemble, ergänzt durch ein Menschenkind, sind ein Gleichnis dafür, dass Personen jeder Wesensart wo auch immer miteinander auskommen sollten. In 11 Kapiteln erleben kindliche Zuhörer oder Leser wie zwei sehr unterschiedliche Charaktere zueinander finden, Gemeinsamkeiten entdecken, sich streiten und wieder versöhnen. Sie erfahren am Beispiel des Bärbeiß, dass jemand trotz seiner unsozialen Wesensart in die Gemeinschaft integriert und schließlich mit seiner Persönlichkeit akzeptiert wird. Deutlich wird, dass es lohnt, sich um Mitmenschen zu bemühen und zwischenmenschliche Beziehungen durch Unterschiede und Konflikte wachsen können. Trotz klarer Botschaft ist die Geschichte an keiner Stelle moralisierend. Naivität und begrenzte Weltsicht der Figuren, alltagsaktuelle Anspielungen, Doppeldeutigkeiten, Sprachmelodisches und Ping-Pong-Dialoge bestimmen den vergnüglich zu lesenden Text. So ergibt sich der Dorfname ganz „logisch“ aus einer Ansage des großen Bruders an die lästige Marie, sie solle doch nach „Timbuktu“ abhauen, was Marie im Dorf brühwarm erzählt; ernährungsbewusste Graureihereltern servieren ihren Kindern lieber frische Regenwürmer als tiefgekühlte und der Bärbeiß schläft nur glücklich ein, wenn feststeht, dass ein Tag wirklich „kein guter Tag war“. Situationskomik und Dialogqualität machen die Geschichte insgesamt zu einem guten Vorlesetext, wobei die Einzelkapitel schlagwortartig überschrieben mit „Wut“, „Marie“, „Schimpfen“ u. a., auch für sich stehen können. Jutta Bauers Buntstiftzeichnungen geben den Figuren klare Formen, zeigen sie jedoch in Gestik und Mimik als differenzierte Persönlichkeiten. So wirkt der Bärbeiß in karierter Hose mit zotteligem Fell z. T. ganz gemütlich. Um den Ausgangspunkt des Buches aufzugreifen, ließe sich ein Rollenspiel gestalten. Fragestellung: Wie verläuft ein guter, gelungener, wie ein schlechter Besuch? In zwei Gruppen stehen Kapitel zum Nachspielen zur Auswahl oder es dürfen Situationen erfunden und auf eine imaginierte Bühne gebracht werden.
(Der Rote Elefant 32, 2014)