Künstler, die für Kinder arbeiten, holen manchmal fast vergessene Kinderspiele aus der Versenkung. Ausgehend von „Stille Post“ nutzt die Autorin Adelheid Dahiméne im vorliegenden Text die Vorliebe von Kindern für Nonsense oder Quatschsprachen. Und sie verlagert das Spiel in die Tierwelt, ein weiteres Identifikationsangebot. Worum geht es? Im Urwald geht eine wichtige Botschaft um. Ausgehend vom Löwen geht die Kette weiter zu Büffel, Zebra, Gazelle, Giraffe, Schakal, Wüstenspringmaus und Geier. Letztlich landet sie beim aufgeweckten Tiger, da die „Stille Post“ offensichtlich nicht still genug war. Doch was hatte der König der Tiere eigentlich ausgesandt? „Schibu halu matei. Froga lima suki“. Dunkel ist der Rede Sinn! Eine Tücke beim „Stille Post“-Spiel ist auch, das neben dem manchmal nicht wirklich genauen Verstehen, mancher auch nur das versteht, was er verstehen will. Diese Spannung des Spiels nutzt der Text, denn – wenn auch die Tiere nicht wissen, was sie weitersagen, Leser oder Zuhörer wollen schon erfahren, worin die Botschaft besteht. So verbinden sich Vergnügen am Nonsense und die Spannung auf den „Sinn“. Denn was soll nun wieder des Büffels „Hinu gasu raki. Toba nida butti“ bedeuten?

Der Text findet sich bereits im Sammelband „Geschichtenkoffer für Schatzsucher“ (hrsg. von Christine Knödler, Boje 2006). Im Verbund mit den naiv-archaischen Illustrationen von Selda Marlin Soganci wurde ein schönes Bilderbuch daraus. Diese Wirkung entsteht durch Sogancis originären Malstil, das Auftragen von Mischfarben auf Fichtenholz. Das Wesen der Tiere, deren Beziehungen und das Fragmentarische des „Verstehens“ bzw. „Nichtverstehens“ setzt Soganci durch Aus- und Anschnitte, Größenverhältnisse, wechselnde Perspektiven und viele zusätzliche – auch ironische Details – liebevoll-einfallsreich ins Bild.

Wem Wörter, Klänge oder Sprachmelodien nicht ganz fremd vorkommen, kennt internationale Küche oder Menschen mit nicht deutschsprachigem Hintergrund. Gerade deshalb erscheint dieses Bilderbuch für multikulturelle Gruppen bestens geeignet. Da die Tierbotschaften für Kinder aus allen Sprachen „fremd“ sind, gibt es keinen deutschen Heimvorteil, nur gemeinsamen Spaß am Klang. Gleiches gilt für sprecherzieherische Übungen, egal ob für Kinder oder Erwachsene. Auch inspirieren die Illustrationen zur Gestaltung von Tiermasken. Von den Kindern selbst hergestellt, könnten sie ein Theaterspiel  mit dem Titel  „Weitersagen“ ausdrucksvoll bereichern.

(Der Rote Elefant 25, 2007)