Eine Woche vor dem 10. Geburtstag macht Cymbeline, benannt nach der Titelfigur eines Shakespeare-Stücks, einen folgenschweren Fehler: Er prahlt mit Schwimmkünsten, die er nicht hat, da die Mutter bisher jede Bitte nach „Schwimmen gehen“ subtil unterlief. Um nicht als Großmaul dazustehen, muss Cym beim Schwimmbadbesuch mit der Klasse ins kalte Wasser springen. Er wäre ertrunken, hätte ihn nicht ausgerechnet ein Mädchen, die hochbegabte Veronique, Sproß einer britisch-chinesischen Familie, aus dem Wasser gezogen. Dieses Ereignis ruft in Cyms Mutter ein traumatisches Erlebnis wach, sodass sie in die Psychiatrie kommt. Cym wird bei Verwandten „geparkt“. Als er seine Mutter endlich besuchen darf, ist diese verschwunden. Um herauszubekommen, wo sie ist, und überhaupt zu verstehen, warum das alles passierte, sucht Cym im Atelier der Mutter, die mit Kunstkursen beider Leben finanziert, nach Antworten. Er entdeckt viele Bilder mit nur einem Motiv: Plüschbär Mr Fluffy. In einer dramatischen Schlussszene kommt die Wahrheit ans Licht, worin auch der totgesagte Vater, Schauspieler im o. g. Shakespeare-Stück, eine entscheidende Rolle spielt.
Nach einem etwas bemühten Anfang, bei dem der Ich-Erzähler ein albernes Badewannen-Schwimmtraining absolviert und sich mittels anbiedernder Du-Ansprachen des Mitgefühls der Leser*innen versichern will, nimmt die Geschichte Fahrt auf. Im Sinne des Cover-Untertitels „Wer die Wahrheit sucht, muss tief tauchen“ werden Handlungsstränge spannungsvoll, psychologisch glaubwürdig und symbolisch mehrdeutig verknüpft.
Familienkonflikte bzw. Freundschaftsprobleme brechen auf, wobei auch soziale Gefälle kritisch hinterfragt werden: so das kunstnahe, prekäre Leben von Cym und der Mutter einerseits und das glanzvolle Dasein der Verwandten andererseits, wobei der Bank des Onkels aufgrund von unseriösen Spekulationen ein Crash droht. Zu den wichtigsten Dingen, die Cym begreift, gehören ein tieferes Verständnis von Freundschaft und von der Beziehung zwischen Kindern und Erwachsenen, wobei letztere sich nur bewährt, wenn sie wahrhaftig ist. Diese Botschaft vermittelt sich gerade durch den z. T. die eigenen Ängste wegplappernden Erzählton. In diesem Kontext erscheint die Klappentext-Werbung „Eine herzzereißende, urkomische Geschichte“ geradezu trivial-un“wahr“. Ausgehend vom Tate Gallery-Besuch von Cyms Klasse könnte nach Kenntnis der Geschichte Edvard Munchs „Der Schrei“ betrachtet und über Korrespondenzen zwischen Bild und Geschichte nachgedacht werden.
(Der Rote Elefant 38, 2020)