Roter Elefant

Der erste im Weißen Haus gezeigte Blockbuster war „The Clansman“ (1915), der den Ku-Klux-Klan verherrlicht. „Tarzan“ (1914) diente als Re-Zementierung der moralischen und physischen Überlegenheit des „Weißen Mannes“. Ronald Reagans Anti-Drogen-Gesetz (1986) verfügte fünf Jahre Gefängnis für den Konsum von fünf Gramm Crack (die Droge armer, oft „Schwarzer Menschen“), die gleiche Strafe für das Dealen mit 100-mal mehr Kokain (die Droge reicher, „Weißer Menschen“). Die Analysen in „Stamped“ strotzen vor (alltags)rassistischen Beispielen. Um Jugendlichen die Geschichte des US-Rassismus und Hintergründe von Black Lives Matter nahezubringen, kürzte der preisgekrönte Jugendbuchautor Jason Reynolds das prämierte 600-Seiten-Werk von Ibram X. Kendi auf eine Chronik in fünf Kapiteln, wobei Kapitel 5 u. a. die Rolle der „Schwarzen Frau“/ Aktivistin thematisiert, denn: Noch 1995 wollten Republikaner der Philosophin und Bürgerrechtlerin Angela Davies die Leitung der „African und American Feminist Studies“ (University of California) entziehen. Die Autoren argumentieren überzeugend, wie „Weiße Menschen“ Rassismus seit 1415 (Einmarsch der Portugiesen in Afrika) gezielt konstruier(t)en und bis heute Selbst- und Fremdwahrnehmung „Schwarzer Menschen“ weltweit prägen. Die Gründe: Religion (Christ*innen vs. „Wilde“), politische Interessen (Macht über Gebiete und später auch Wählerstimmen), ökonomische Interessen (Sklav*innen als „Ressourcen“; Rechtfertigung, „Schwarzen Menschen“ Leistungen und Rechte zu verweigern). Diese Motiv-Komplexität, so der Autor, charakterisiere viele US-Organisationen und Handelnde aus Religion, Politik, Kultur, Wissenschaft und Aktivismus, welche auf einer von mindestens drei Identitäten basieren: „Segregationisten“ (sind für Rassentrennung, „richtige Hater“), „Assimilationisten“ (sehen mangelnde Anpassung „Schwarzer Menschen“ als Ursache für Rassismus, „sie mögen Dich nur, wenn Du so bist wie sie“) und Antirassisten („lieben dich, weil du so bist, wie du bist“). Bewusst polemisch und oft sarkastisch im Ton ist „Stamped“ wütend, mitreißend, aber auch hoffnungsvoll und besticht durch Reynolds direkte Leser*innen-Ansprache. Bereits Alice Hasters Vorwort wirbt für Umdenken und Handeln: „Rassismus formt unsere Gesellschaft und unser Denken genauso wie im Rest der Welt … Ihr bestimmt, wie es weitergeht. Und weil ihr diese Verantwortung tragt, solltet ihr wissen, was bisher geschah.“

In diesem Sinne könnte ein Antirassismus-Projekt Einzelkapitel mit literarischen Texten verknüpfen. Letztere sind u. a. in der Datenbank der-rote-elefant.org, Schlagwort „Rassismus“, zu finden. Darunter Bücher von Jason Reynolds, in denen dessen persönliche Rassismuserfahrungen literarisch verarbeitet sind.

 

(Der Rote Elefant 40, 2022)