Pinocchio
Illustration: Quentin Gréban
Aus d. Italienischen v. Sabine Ludwig
80 Seiten
ab 6 Jahren
€ 19,95

Immer wenn ein Klassiker der Kinder- und Jugendliteratur neu illustriert wird, kann man sich die Frage stellen: Ist das nötig? Auch „Pinocchio“ wird regelmäßig in neuen Ausgaben veröffentlicht und muss sich den Vergleich mit den düsteren Erstillustrationen von Enrico Mazzanti und Carlo Chiostri gefallen lassen.
Viel hat sich seither in Rezeption und Darstellung der 1881 erstmals erschienenen Geschichte verändert. Die neue Übersetzung von Sabine Ludwig ist leicht gekürzt und liest sich sehr angenehm. Auch wenn die neuere Literaturwissenschaft in Frage stellt, dass es sich bei Collodis Buch um eine intendierte Geschichte für Kinder handelt, steht Ludwigs Übersetzung in dieser Tradition. Heute wie damals lässt sich gut diskutieren, ob die Holzpuppe am Ende ein richtiger Junge wird, weil sie „brav“ war oder weil sie all die beschriebenen Erfahrungen gemacht hat. Oder war alles nur ein Traum?

Hervorragend illustriert wurden Pinocchios Abenteuer u. a. von Nikolaus Heidelbach (Beltz Verlag, 1988), Ed Young (Altberliner Verlag, 1998) oder Roberto Innocenti (Sauerländer-Patmos, 2005). Nun versuchte sich der junge Belgier Quentin Gréban erneut daran. Und es gelang ihm! Grébans Pinocchio ist ein niedliches, unschuldig aussehendes Gliederpüppchen. Seine Märchenwelt leuchtet farbenfroh und doch ziehen teilweise düstere Wolken in die ganzseitigen Illustrationen, wenn die unheimliche Geschichte es erfordert. Grébans Bilder schrammen knapp an einer etwas zu süßlichen Darstellung vorbei, überzeugen jedoch durch ihren stimmigen Farbklang und ihre teilweise überraschenden Bildideen und Kompositionen. 

Beispielhaft sei hier ein eindrucksvolles Gewitterhimmelbild genannt, an dessen unterem Rand Pinocchio, klein und zerbrechlich, entlangwandert, oder Pinocchios Flug auf der Taube, unter ihm die Erdkugel, auf der es nur ein italienisches Dorf zu geben scheint. Im Gegensatz zu der 2011 im Lappan Verlag erschienenen Pinocchio-Ausgabe (Übers. u. Ill.: Mario Grasso), überzeugt Grébans Interpretation und wird sicher Freunde finden.

Um sich der Figur des Pinocchio zu nähern, könnte man nur den Text anbieten, um aus der Beschreibung heraus eine eigene Figur zu gestalten. Diese hat dann verschiedene Vergleichs-möglichkeiten. Die Gestaltung der Szenerien durch die verschiedenen Illustratoren böte sich ebenfalls zum Vergleich an, sei es gestalterisch oder hinsichtlich ihrer differenzierten Interpretationen des Textes.

(Der Rote Elefant 30, 2011)

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