Kai zieht in den Krieg und kommt mit Opa zurück
160 Seiten
ab 11 Jahren
€ 17,00

Von klein auf waren für den jetzt elfjährigen Kai Opas abenteuerliche Kriegserzählungen, in denen sich dieser als Held ausgab, ein großer Spaß. Doch nun vergisst der „Hundertjährige“ beinahe alles. Um den Großvater mitsamt seinen Geschichten noch nicht zu verlieren, inszeniert Kai eine Zeitreise, in der er als Gedächtnis des alten Mannes fungiert und beide zusammen zentrale Stationen von Opas Kriegseinsatz nacherleben. Die Reise führt sie an fingiert authentische Orte: von zuhause aus an die Front, später in ein Gefangenenlager und zuletzt in eine zerstörte Stadt. Unterwegs entpuppen sich Opas Erzählungen zunehmend als Lügenmärchen. Während Kai dies nach und nach bewusst wird, lernt der Großvater, zu seinen wahren Erinnerungen zu stehen. 

Mit einer fulminanten Einstiegsszene gelingt es Zoran Drvenkar, kindliche wie erwachsene Leser*innen sofort einzufangen und festzuhalten. Weist diese doch schon fast alle Kniffe und Kunstgriffe auf, die seinen Roman im Ganzen auszeichnen: Da sind zum einen die Protagonisten zweier Generationen, deren pointierte Dialoge einen ebenso glaubwürdig-realistischen wie humorvoll-witzigen Ton anschlagen und beider innige Beziehung spiegeln. Und da ist deren ungewöhnliches, ‚heldenhafte‘ Kriegserlebnisse nachstellendes Spiel, dem in den sich anschließenden Kapiteln ebenfalls spielerisch, doch zugleich überaus ernsthaft und mit sprachlicher Meisterschaft auf den Grund gegangen wird. Die Zeitreise, die Kai und Opa unternehmen, bezieht sich nur unterschwellig auf den letzten großen Weltkrieg. Vielmehr verweist sie – etwa anhand disparater Details wie unterschiedlicher Waffenarten – quasi Zeiten übergreifend auf Kriege in der Menschheitsgeschichte. Dabei macht der Autor zweifelsfrei deutlich, was Soldat-Sein bedeutet: das Leben anderer auslöschen zu müssen, um möglichst sein eigenes zu retten. Auf drei besonders „schlimme Momente“, die solche Wahrheit(en) enthüllen, bereitet ein zwischengeschalteter auktorialer Erzähler die Lesenden einfühlsam vor. Dessen sich auch poetisch ausdrückende Lebensklugheit korrespondiert mit einer immer wieder auftauchenden, fantastisch anmutenden Frauenfigur. Diese gewährt im Angesicht des Todes Gnade und spendet Trost zum Weiterleben – Gnade und Trost auch für Opa und Kai.

Opa „ist noch immer ein Held für ihn. Aber er ist ein Held, der lügen musste, um als Held zu bestehen“. Das Fazit, das Kai bei Opas bevorstehendem Abschied im Schlusskapitel zieht, fordert geradezu heraus, Wunschdenken und Wirklichkeit gegeneinander abzuwägen und den aktuell wieder diskutierten ‚Helden‘-Begriff zu hinterfragen. Einen Anhaltspunkt dazu liefert eine genaue Betrachtung des Ordens, der auf dem Cover abgebildet ist.

Drvenkar entwickelte den Stoff zunächst als Theaterstück, das unter anderem am Grips Theater Berlin inszeniert wurde. Im Diwan Hörbuchverlag erschien das Hörbuch zum Roman.