Cover: Truus Matti; Apfelsinen für Mister Orange
Apfelsinen für Mister Orange
Illustration: Truus Matti
Aus dem Niederländischen von Verena Kiefer
173 Seiten
ab 10 Jahren
€ 12,95
Schlagwörter: Krieg, Kunst, Maler, Malerei, New York, Zukunft

Seit der älteste Bruder Apke in den Krieg gegen Hitler gezogen ist, muss Linus mit dem Gemüsekarren durch Manhattan ziehen, damit die große Familie über die Runden kommt. Eine von Linus‘ Touren führt zum lungenkranken Mr. Orange, dem Linus „Gesundheit“ ins Haus bringt: Apfelsinen. Betritt Linus dessen Wohnung, öffnet sich ihm eine neue Welt. Die Wohnung ist lichtdurchflutet, ohne Blümchentapeten, schwere Möbel und Teppiche wie bei Linus zu Hause. An weißen Wänden sind Rechtecke in den „Farben der Zukunft“, den „starken Farben“ Gelb, Rot und Blau befestigt. Jedes Mal sind sie anders angeordnet ‒ „ein Puzzle mit immer neuen Möglichkeiten.“ Mr. Orange, dessen wirklichen Namen sich Linus nicht merken kann, ist Maler, Künstler. Die beiden kommen ins Gespräch, reden darüber, wie Leben, Musik, Kunst und Menschen in der Zukunft sein werden. Dann, wenn der Krieg vorüber ist. Dass der Krieg kein Abenteuer ist, wie in den geliebten Action Comics, wird Linus zunehmend bewusst. Apkes Briefe sind beredtes Zeugnis dafür. Die Überzeugung, dass man auch mit Phantasie und Vorstellungskraft für eine freiheitliche Zukunft kämpfen kann, zeigt sich in Mr. Oranges letztem, unvollendetem Bild „Victory Boogie Woogie“.

Die preisgekrönte Autorin Truus Matti verknüpft gekonnt die fiktive Geschichte um Linus mit der biografischen des niederländischen Künstlers Piet Mondrian. Dieser ging 1940 als Siebzigjähriger ins Exil nach New York. Seine Kunst war von den Nazis als „entartet“ diffamiert worden. In New York begann er nach einem neuen künstlerischen Ausdruck zu suchen, beeinflusst von Lebendigkeit und Rhythmus der Stadt. Matti gestaltet wunderbare Szenen wie die, worin Mondrian wie ein dünner Vogel zu Boogie-Woogie-Musik tanzt. Die rückblickende Erzählung umfasst fünf Monate, beginnend im September 1943. Sie wird gerahmt vom Besuch einer Gedenkausstellung im März 1945, wo Linus Mondrians letztes Bild sieht. Eindrucksvoll gelingt Autorin (und Übersetzerin), die Lebens-, Gedanken- und Gefühlswelt des Jungen, seinen Reifungsprozess zu beschreiben, ihn in die „geerbten“, viel zu großen Schuhe seines älteren Bruders hineinwachsen zu lassen. Neben „Mr. Orange“ stellt sie Linus noch „Mr. Super“ zur Seite, einen von Apke gezeichneten Comic-Helden, mit dem Linus imaginäre Zwiesprache hält. Die Asthetik Mondrians wurde buchgestalterisch aufgenommen, im Anhang finden sich Informationen zu Leben und Werk, zu Motiven des Buches und eine Auswahl an Museen, die Werke Mondrians zeigen ‒ allesamt Anknüpfungspunkte für eine intensivere Auseinandersetzung. Erinnert sei in diesem Zusammenhang an das Bilderbuch „Krawinkel & Eckstein ‒ Auf den Spuren von Piet Mondrian“ (RE 30).

(Der Rote Elefant 31, 2013)