Cover: Rolf Lappert; Pampa Blues
Pampa Blues
251 Seiten
ab 15 Jahren
€ 14,90

Ich-Erzähler Ben hat den Blues und dazu allen Grund. Er lebt auf einem Dorf, in das „kein Schwein kommt, nicht mal ein Einbrecher“, muss seinen senilen Großvater pflegen und hat noch nie ein Mädchen geküsst. Der Vater ist in Afrika tödlich verunglückt, die Mutter tingelt mit einer Band durch Hotelketten Europas. Ben ist 16 1/2 und die betagte Dorfbevölkerung an Händen abzuzählen. Soziale Treffpunkte sind eine Tankstelle, ein Lebensmittelladen und Maslows Kneipe, wo alle hingehen, um zu spielen und zu trinken. Fehlt einer, wird sofort nach ihm gefahndet. Ben lernt Gärtner, weil der Großvater eine Gärtnerei besitzt und sich auch kein Schwein darum kümmert, ob ein 83-Jähriger noch ausbilden kann. Eigentlich will Ben Automechaniker werden, was er de facto schon ist, denn ein Pole, der inzwischen auch wieder weg ist, hat ihm alles über Autos beigebracht. Bens Traum: mit 18 im selbst zusammengebauten VW durch Afrika touren. Am Ende ist Ben fast 18, noch da und hat ein Mädchen nicht nur geküsst. Das Pampa-Dorf ist zur „blühenden Landschaft“ mutiert, zum symbolischen Ort für Heiratswillige, das Rosengeschäft boomt. Irgendwann wird Ben nach Afrika aufbrechen, wann ist nicht so wichtig.

Es ist auch nicht so wichtig, ob der Aufschwung („Ost“) bzw. das konkret Erzählte glaubhaft ist. Künstlerisch „wahr“ ist der stimmige Minikosmos, bestehend aus einem präzise geschilderten Ort (Anagramm Wingroden), darin verwurzelten genau charakterisierten Figuren und deren Lebensgefühl. Kontrapunktisch zu Bens Tristesse stehen dafür irreale Erfolgsphantasien, wie sie Maslow unermüdlich aus Liebe zu Ort und Menschen entwickelt. Diese bringen in Handlung und Geschichtsaufbau zunehmend Drive und Komik. Erzählrhythmus und Stimmung lassen den Leser emotional wie in einen Blues eintauchen. Erzeugt wird eine wehmütig-sehnsuchtsvolle Gespanntheit, die Weiterlesen geradezu erzwingt. Mehrfach nutzt der Autor „Abstürzen“ als Metapher: als vom Helden ambivalent empfundenes Kinderspiel, als tatsächlich tragischen Unfall, als absurd-komisches Vorkommnis mit liebevoll-weitrei-chenden Folgen. Überhaupt erzählt Lapperts Text auf unsentimentale Weise viel über Liebe, nicht so sehr in Bens Reflexionen, sondern ablesbar im Handeln der Figuren. Die berührendste Liebesgeschichte ist vielleicht die zwischen Ben und seinem Großvater. Mit Recht ist das Romandebüt des Schweizer Autors Rolf Lappert für den DJLP 2013, Sparte Jugendbuch, nominiert. Es ist nicht nur ein Identifikationsangebot für Jugendliche, sondern spielt auf ironische Weise mit „hypes“, die „hip“ sind. Nicht nur für Jugendliche ein Lesevergnügen.

(Der Rote Elefant 31, 2013)