Cover: Jens Soentgen, Wie man mit dem Feuer philosophiert – Chemie und Alchemie für Furchtlose
Wie man mit dem Feuer philosophiert – Chemie und Alchemie für Furchtlose
Illustration: Vitali Konstantinov
464 Seiten
ab 14 Jahren
€ 29,90

Jens Soentgen nimmt die Leser im ersten Teil seines Buches auf eine faktenreiche, unterhaltsam präsentierte, aber auch kritische Zeitreise durch die Geschichte der Chemie mit, worin 33 Substanzen, aber auch Personen und Wissenschaftler näher betrachtet werden. Im Sinne einer nachhaltigen Wirkung des Erfahrenen, werden die Leser im zweiten, farblich separierten Teil eingeladen, 80 Experimente bzw. Gedankenspiele zur Herstellung nun bekannter Stoffe auszuführen.

Soentgens Zeitreise beginnt in der Urzeit, führt anfangs von „Feuerstelle zu Feuerstelle“ und später von „Kontinent zu Kontinent“. Erzählt wird, wie die indigenen Völker Südamerikas aufgrund von Tierbeobachtungen das Gift Curare und den Kautschuk entdeckten und wie Alchimisten im Mittelalter beim Versuch Gold zu gewinnen, Porzellan herstellten. Nicht sehr bekannt dürfte sein, dass im 18. Jahrhundert die „Salpeterer“, aufständische freie Bauern in Süddeutschland, Kellerwände abkratzten, um aus dem dort „wachsenden“ Salpeter Schießpulver zu machen. Spätestens beim Wort „Schieß“pulver lag nahe anzumerken, was entdeckte oder synthetisch entwickelte Stoffe an Folgen für die Menschheit brachten, wenn Chemiker ungeachtet moralischer Bedenken, ihre Ergebnisse Machtinteressen auslieferten. So z. B. der Chemiker Fritz Haber, dessen Chlorgas im Ersten Weltkrieg die chemische Kriegsführung ermöglichte. Ebenso werden der Einsatz des Schädlingsbekämpfungsmittels Zyklon B zur Massenvernichtung von Menschen oder die Verantwortung der IG Farben für Ausbeutung und Ermordung von KZ-Häftlingen im „Dritten Reich“ von Soentgen deutlich angeprangert. Nur Marie Curie habe sich nicht von Machthabern vereinnahmen lassen.

In letzteren Textteilen finden sich philosophische Anmerkungen, aber mit dem Feuer wird an keiner Stelle philosophiert, höchstens gespielt, so dass der Titel etwas bemüht wirkt. Eine besondere Freude bereitet die Gestaltung des Buches, symbolträchtig in Schwarz und Rot gehalten. Der ukrainische Illustrator Vitali Konstantinov arbeitete für seine teils sachlich orientierten, teils poetisch-assoziativen Bildtafeln und Vignetten ausschließlich mit Blei- und Rotstift. Ein sattes Blutrot füllt Vor- und Nachsatz, alle anderen Illustrationen sind durch viele Rotabstufungen gekennzeichnet. Den Zeitreise-Aspekt greift der Illustrator auf trocken-humorvolle Weise mehrfach auf, z. B. wenn ein Ureinwohner zum traditionellen Gewand Gummischuhe trägt.

(Der Rote Elefant 34, 2016)