Cover: Anja Tuckermann; Ein Volk, ein Reich, ein Trümmerhaufen
Ein Volk, ein Reich, ein Trümmerhaufen
Alltag, Widerstand und Verfolgung ‒ Jugendliche im Nationalsozialismus
175 Seiten
ab 13 Jahren
€ 10,99

Nach den preisgekrönten biografischen Werken „Muscha“, „Denk nicht, wir bleiben hier!“ und „Mano“, alle das Schicksal von Sinti-Kindern im „Dritten Reich“ nacherzählend, legt die Autorin nunmehr ein Sachbuch vor, welches das System „Nationalsozialismus“ als Ganzes untersucht. Den Fokus richtet sie dabei speziell darauf, was es mit und aus jungen Menschen machte. Das Themenspektrum reicht somit von begeisterter Anhängerschaft über widerwilliges Mitläufertum, Verschleppung, Zwangsadaption und Zwangsarbeit, Deportation und Euthanasie bis hin zu kindlichem und studentischem Widerstand.

Strukturell einem Lehrbuch ähnelnd, beleuchten fünf Kapitel Hintergründe und Etappen deutscher Geschichte ab dem Ende des Ersten Weltkrieges und Aufstiegs Hitlers bis zur Kapitulation Hitlerdeutschlands. Der Anhang bietet ein auf wichtige Personen, Begriffe und Daten beschränktes Glossar sowie eine Zeitleiste. Grau hinterlegte Textblöcke mit historischen Belegen, Zeitzeugenaussagen und ergänzenden Informationen setzen gleichsam Lesezeichen. Eindrückliche Fotos stützen dargebotene Fakten. Etwas verwirrend wirken lediglich die häufig wechselnden Schrifttypen.

Herausragende Qualität des Bandes einer Taschenbuchreihe ‒ auch sprachlich! ‒ bildet die Verknüpfung gründlich recherchierter Sachdarstellung mit subjektiven Geschichten. Letztere erfuhr die Autorin durch intensive Gespräche mit Zeitzeugen. Zu Wort kommen u. a. Hartmut, den der Drill im Jungvolk zunehmend belastete, Henryk, der von der Schulbank weg in deutscher Landwirtschaft schuften musste, Cioma, der sich weigerte, den gelben Stern zu tragen oder Ingrid, die erst als Erwachsene von ihren slowenischen Wurzeln erfuhr. Die facetteneichen Passagen belegen zum einen, wie frühzeitig und rigoros Hitler darauf abzielte, gerade die Jugend geistig und körperlich zu formen und zu missbrauchen. Zum anderen erhellen sie, dass nicht zuletzt Kinder und Jugendliche sich einem System widersetzten, das den Alltag bestimmte und das Privatleben jedes Einzelnen durchdrang. Neben Sophie Scholl und Georg Elser stellt die Autorin auch weniger bekannte Akteure bzw. Gruppen („Onkel Emil“, Swingjugend, Swingkids) aus dem Widerstand vor. Ihr Buchtitel, ein die Nazi-Propaganda verballhornender Spruch, setzt den „Edelweißpiraten“ ein Denkmal.

Umfang, Methodik und Lebendigkeit des Buches sind überaus geeignet, junge Menschen an einen bis heute nachwirkenden Teil deutscher Geschichte heranzuführen. Ein Klassensatz ist jeder Schule und Bibliothek sehr zu empfehlen.

(Der Rote Elefant 31, 2013)