Cover: Nina Töwe; Hans und die Bohnenranke
Hans und die Bohnenranke
Illustration: Nina Töwe
40 Seiten
ab 6 Jahren
€ 13,95
Schlagwörter: Armut, Erbe, Familie, Märchen, Rache, Schatz

Das englische Märchen von Hans (im Original Jack) und der Bohnenranke erzählt von einem Jungen, der das letzte Hab und Gut seiner Mutter ‒ eine Kuh ‒ für einige Zauberbohnen hergibt. Die Mutter ist verärgert und wirft die Bohnen achtlos fort. Doch schon am nächsten Morgen rankt eine riesige Bohnenranke in das Reich eines rüden Riesen, der, wie sich herausstellt, für das Elend der Familie des Jungen verantwortlich ist. Nun heißt es: den Riesen überlisten und besiegen, um den Schatz des Vaters zurückzubekommen.

Die Textadaption folgt der im frühen 19. Jahrhundert niedergeschriebenen moralisierten Version des Märchens: Der Junge rächt seinen Vater und holt sich sein Erbe. Leider eröffnet der Text wenig Raum für eigene Gedanken, da er kaum Leerstellen aufweist.

Ausgeglichen wird dies jedoch voll und ganz durch Nina Töwes doppelseitige Illustrationen, die mit leuchtenden Farben und ungewöhnlichen Bildkompositionen aufwarten. Auf dem Cover klettert Hans als farbige Figur an einer mit Feder in Schwarz-Weiß gezeichneten Bohnenranke hinauf. Im Buch jedoch sind er und seine Mutter die einzigen Schwarz-Weiß-Figuren, die sich filigran von der märchenhaften, in kräftigen Acryl-Farben gestalteten Welt um sie herum abheben. Erst am Schluss, wenn der Riese besiegt ist und die Armut der Familie ein Ende hat, gehören auch sie voll und ganz in die farbige Bilderbuchwelt. Interessant sind Nina Töwes Rezeptionen der Kunstgeschichte: Sind der Riese und seine Frau eindeutige Reminiszenzen an Figuren Arcimboldos aus dem 16. Jh., erinnern die Kompositionen und Proportionen der einzelnen Bildelemente zueinander an die surrealen Welten eines Rene Magritte oder Max Ernst. Gekonnt vermischt die Illustratorin verschiedene Zeitepochen. So wird der Betrachter beispielsweise von einem Scherenschnittportrait in Hansens ärmlicher Behausung oder einer mittelalterlichen Grabplatte am Ende der Bohnenranke überrascht. Damit zollt die Künstlerin der Tatsache Tribut, dass dieses Märchen bereits seit vielen Jahrhunderten erzählt wird und gibt gleichzeitig Anregungen, verschiedene künstlerische Techniken der Kunstgeschichte selbst auszuprobieren, seien es Collagen aus Obst- und Gemüseabbildungen (Arcimboldo) oder die Kunst des Scherenschnitts.

Ein beeindruckendes Illustratoren Debüt, das Lust auf mehr macht! 2013 wurde das Buch mit dem Nachwuchspreis „Märchenwelten“ der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendliteratur ausgezeichnet.

(Der Rote Elefant 31, 2013)