Cover: Nadia Budde; Großstadttiere
Großstadttiere
Illustration: Nadia Budde
140 Seiten
ab 11 Jahren
€ 18,00

Ein Buch für die ganze Familie, so richtig zum gemeinsamen Ablachen! Von FAZ bis rbb-Kulturradio wird Buddes jüngstes Buch hochgelobt. Aber: Was ist daran eigentlich zum Schieflachen? Dass die Natur verpestet, begradigt, ausgelichtet ist (letzte Doppelseite), dass die Tiere fliehen? Dass den Großtadt-Wolkenkratzern (1. Doppelseite, explizit benannt: Bank, Casino, Club, Hotel, Restaurant) alles Menschliche fremd ist, sodass es die Menschen ins Umland treibt? Aber wer möchte schon in diesen Wald? (s. letzte Doppelseite) Kein Ort, nirgends! Budde benutzt mehrfach das Wort „Kulturfolger“. Aber welcher Kultur folgen Wildschweine und Co? Der „Kultur“ der stinkenden Mülldeponien (explizit bei sechs Tieren erwähnt), des ohrenbetäubenden Lärms, des Konsumüberflusses bei gleichzeitig wachsender Armut. Kulturfolger Tauben z. B. werden nicht mehr im Park vergiftet, sondern durch Spikes auf Kulturdenkmälern verkrüppelt und Kulturfolger Stadt-Stare in der Kulturstadt Rom imitieren nur noch Handyklingeltöne und können nicht mehr mit Land-Staren kommunizieren.

Bei oberflächlicher Lektüre und Betrachtung alles ziemlich witzig-unterhaltsam, bei genauerem Nachdenken jedoch wandelt sich Scherz in Ironie bzw. Satire und gewinnt damit tiefere Bedeutung. Budde führt die Tatsache ad absurdum, dass der Mensch ein logisch denkendes und planvoll handelndes Wesen ist. Er sieht in ihren Bildern auch nicht so aus! Globale Zivilisationskritik ist im handgeletterten Text nicht zu überlesen oder einfach wegzulachen. Buddes Herz schlägt eindeutig für die zur Anpassung gezwungenen Zwei- und Vierbeiner. Diese kommen zwar mimisch (von naiv bis hinterfotzig) verschieden daher, wirken aber ‒ ausgenommen die Schaben ‒ sehr viel sympathischer als die Menschen. Woher Budde ihre Sachkenntnisse über die 24 Tierarten bezieht, welche die Weltmetropolen aller Kontinente beherbergen, lässt sich nur vermuten. Dass ältere Kinder die skurrilen Tiergeschichten aufgrund ihres witzigen Grundtons mit Genuss annehmen werden, davon ist auszugehen. Da manches an (bearbeitete) Zeitungsmeldungen aus der Rubrik „Was sonst noch geschah …“ erinnert, böte es sich in Deutsch, Biologie oder Gesellschaftskunde an, Buddes „Fakten“ mit eigenen Recherche-Ergebnissen zu mischen und neue Zeitungsbeiträge zu formulieren. Der politischen Bedeutung des Buches wurde dieses Verfahren gerecht, wobei Buddes Erzählhaltung in Text und Bild sicher mit einflössen.

(Der Rote Elefant 31, 2013)