König sein
Illustration: Mario Ramos
Aus dem Französischen von Alexander Potyka
40 Seiten
ab 5 Jahren
€ 16,00

Leo wird König. Aufgrund dessen gibt der (sehr) kleine Löwe ein Fest für alle Tiere und verspricht dabei Großes. Nach dem Fest bestimmen Machtgier und Grausamkeit Leos Regentschaft. Untertanen dürfen sich ihm nur auf Knien nähern, per Gesetz müssen alle Vogeleltern ihren Neugeborenen die Flügel brechen. Da ein Volksaufstand zu befürchten ist, wird eine Gorilla-Armee aufgebaut und zur Ablenkung von inneren Spannungen ein Krieg mit den Nachbarn angezettelt. Am Rand des Königreichs jedoch bringt eine Vogelfrau ein Junges zur Welt. Im Text heißt es: „Marie liebte ihren Sohn so sehr, dass sie vergaß, ihm die Flügel zu brechen.“ Im Bild zeugt eine Träne der Vogelmutter von innerem Widerstand, der nach außen drängt. Und so wird aus Gilli ein aufmüpfiger kleiner Vogel, der sich Neugier und Mut von niemandem nehmen lässt. Bei einer Parade pickt er dem Despoten die Krone vom Kopf. Unbeeindruckt von der Wut des nun Machtlosen krönt Gilli nacheinander andere Tiere, um deren Herrschaftsfähigkeit zu prüfen. Frisch gekrönt, verkünden jedoch auch diese sogleich ihr egoistisches Diktum: König Schwein verbietet das Fleischfressen, König Esel Lesen und Nachdenken und König Hund verpflichtet alle zum Bellen und Schwanzwedeln. „Lächerlich“, kommentiert Gilli nach jedem Krönungsakt und fliegt mit der Krone weiter. Bis er unter sich das Meer entdeckt …

Vorliegende „fabel“hafte Geschichte des international anerkannten belgischen Autors Mario Ramos, erinnert sei an dessen Wolfs-Bestseller (z. B. Ich bin der Stärkste im ganzen Land oder Nur Mut, kleiner Luis), wurde posthum veröffentlicht.

Gab Ramos in den Wolfsbüchern individuelle Großmannssucht der Lächerlichkeit preis, so weitet er diese in „König sein“ ins Gesellschaftspolitische. Kreidezeichnungen, Aquarelle in leuchtenden Farben und Schattenrisse sind meisterlich collagiert und kritisieren ausdrucksstark königlichen Machtmissbrauch. Die blutigen Spuren einer Schlacht – als Farbspritzer und Pinselkleckse bewusst nachlässig an den Herrscher-Balkon geschmiert – werden vom Diktator nicht zur Kenntnis genommen.

Als Epilog zeigt die letzte Doppelseite den gekrönten kleinen Nero, seinem (Fisch)Volk voranschwimmend. Wiederholt sich auch unter Wasser das bisherige Geschehen? Oder sollte man lieber zurückblättern und nochmals lesen: „Erleichtert beschloss Gilli, sich auf den Weg in neue Welten zu machen.“ Mit Kindern ab 5 ließe sich darüber gemeinsam (zeichnend) nachdenken.

(Der Rote Elefant 36, 2018)

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