Cover: Jorge Bucay; Wie der König seinen Feind verlor
Wie der König seinen Feind verlor
Illustration: Gusti
Aus dem argentinischen Spanisch von Stephanie v. Harrach
48 Seiten
ab 8 Jahren
€ 14,99

Ein „eitler, launischer“ aber im Grunde einsamer König erfährt, dass nicht er, sondern ein weiser Alter vom Volk geachtet und geliebt wird. Eifersüchtig fordert der König von ihm: „Nenne mir das genaue Datum, an dem du sterben wirst.“ Die doppeldeutige Antwort des Weisen versetzt den König in Todesangst, sodass dieser befiehlt, der Weise müsse bei ihm bleiben …, der Beginn einer tiefen Beziehung.

Auch das zweite Bilderbuch der argentinischen Künstler Bucay/Gusti ist eine Parabel (vgl. „Wie der Elefant die Freiheit fand“, RE 29). Parabeln sprechen ihre Lehre klar aus, hier im Brief des geläuterten Diktators an den Sohn. Darin heißt es, dass man alles, was einem feindlich erscheine, ob bei sich selbst oder anderen, zu sich „nach Hause“ einladen und ihm sein „Herz öffnen“ müsse. Dann könne man im „vorgeblichen Feind“ den „mächtigsten und treuesten Verbündeten entdecken.“

Märchencharakter, Widersacher und Freundschaftsmotiv werden Kinder mit Sicherheit an die Geschichte fesseln. Neben deren individualpsychologischer Botschaft hat diese jedoch auch eine gesellschaftspolitische Dimension. Wieder geht es um Freiheit. Diktaturerfahrungen haben den (Gestalt-)Therapeuten Bucay gelehrt, dass angstvolle Fixierung auf autoritäre Gewalt, egal ob als Herrscher oder Beherrschter, unfrei macht, unfähig zu Selbstbestimmtheit und Demokratie. Bucays Weiser handelt angstfrei. Das macht ihn dem König überlegen. Die Betonung dieser „Lehre“ geschieht z. T. zu Lasten der ästhetischen Dichte des Textes, was jedoch Gustis prachtvolle Collagen mehr als ausgleichen. Diese nehmen Individualpsychologisches und Gesellschaftspolitisches gleichermaßen auf. 

Goldenes Vor- und Nachsatzpapier, das Gold der Schrift und die in gedeckten Braun- und Ockertönen gehaltenen Illustrationen stärken das Märchenhafte der Parabel. Andererseits finden sich in den Bildern zahlreiche, auch aktuelle, weltliche oder religiöse Herrschaftssymbole (Zepter, Mitra, Minarett …) aus verschiedenen Kulturen und Jahrhunderten.

Um eine ironische Distanz zu „Macht“ und „Herrschaft“ herzustellen, arbeitet Gusti mit extremen Größenverhältnissen, z. B. sitzt ein winziger Königskopf auf einem riesigen Körper, umhüllt vom Königsmantel. Ein kindnahes und gleichsam komisch-parodistisches Element führt Gusti mit einem Teddy ein. Der Spielzeugbär ist stets an des Diktators Seite und kopiert bzw. übertrumpft dessen Herrschaftsgebaren. Wie würde der Teddy die Geschichte erzählen?

(Der Rote Elefant 32, 2014)